Das Photogramm|Licht, Spur und Schatten 08./09. April 2006
Diskussion I
mit Andreas Fischer & Tim Otto Roth
Moderation: Peter Weibel
Der Begriff der Geisterphotographie schien das Publikum förmlich unter Spannung gesetzt zu haben, die sich in der ersten Diskussionsrunde abrupt entlud. Grund für den Aufruhr mag gewesen sein, daß Teilen des Publikums die Methodik von Andreas Fischer bedingt durch seine atmosphärische Einleitung nicht klar geworden ist.
Noam Elcott versuchte das terminologische Gewitter dahingehend zu vertreiben, daß man zwischen einer Praxis und einer Rhetorik kameraloser Photographie unterscheiden müsse. Er stieß dabei einen interessanten Dialog zum Begriff „kameralos“ an. Daß die Portraits bei Parks offensichtlich keine Fotogramme sind, aber dennoch als kameralos bezeichnet worden sind, versuchte Floris M. Neusüss dahin zu klären, daß diese offensichtlich nicht mit der Kamera, die im Studio stand, gemacht wurden. Noam Elcott folgerte, daß man eigentlich dann von „echter und unechter kameraloser Photographie“ sprechen müsse. Andreas Fischer machte schließlich die nicht unwichtige Bemerkung, daß kameralose Photographie zuerst als Verfahren und theoretisches Modell akzeptiert werden mußte, damit damals in den Augen der Leute Bilder überhaupt erst möglich wurden. Ulf E. Ziegler drückte dies später als Wunsch aus, daß es etwas in der Chemie der photographischen Platte gebe, was sich nicht durch ein Phänomen vor der Optik erklärt. Daß wie von Floris M. Neuss schließlich die im Englischen gebräuchliche Bezeichnung „lensless photography“ unverfänglich sei, sah Tim Otto Roth als problematisch an. So bezeichnete kameralose Photographie in Amateurkreisen der 1890-er Jahre zumeist Techniken basierend auf der Camera Obscura.
Andreas Fischer betonte noch einmal, daß es nicht, um die Frage gehe, ob das Dargestellte nun wahr und falsch sei. Er verwies in dem Kontext auf eine Publikation aus dem Jahre 1875 in der 200 Fälschungen von Geisteraufnahmen beschrieben sind. Entscheidender sei für ihn - und damit machte er schließlich seinen Standpunkt als rezeptionsästhetischen deutlich - warum die Leute etwas bestimmtes in den Bildern zu sehen glaubte
Peter Weibel hob noch mal den grundlegenden Unterschied zwischen Geisterphotographie und Fluidalphotographie hervor. Erstere seien Photographien, die Fluidalbilder hingegen seien als Photogramme Bilder ohne Vorbilder. Als Spurbilder von Wärme seien sie nicht zuletzt ein Spezialfall von naturwissenschaftlichen Photos. Tim Otto Roth erläuterte, daß der Grund die Fluidalphotographie auf dem Symposium zu thematisierten darin gelegen hat, daß diese Photogrammtechniken im Okkultismus überhaupt die ersten Kontaktversuche des menschlichen Körpers mit der photographischen Platte darstellen. Philipp Slusallek verwies auf die phänomenalen Aspekte, daß das Photogramm aufgrund seines Schärfeverhältnis in Abhängigkeit vom Abstand ein sehr ungewohntes Abbild liefert, das wir so nicht kennen. Deshalb läßt es Interpretationen erst zu, was bei gewohnten Abbildern nicht der Fall ist. Tim Otto Roth sieht in diesem Auseinanderklaffen der Repräsentationssysteme durchaus einen jenseitigen Aspekt in okkulitistischen Bildern, indem sich Dinge im Photogramm jenseits des uns gewohnten Repräsentationssystem darstellen. In diesem Kontext von Rolf H. Krauss auf Darget’s Gedankenbild einer Flasche angesprochen, versuchte Roth zu präzisieren, daß hinsichtlich einer Flasche wir bereits über unser eigenes Zeichensystem sprechen und daß wir in den Lichteindruck hineininterpretieren, daß er eine Flasche darstelle.
Paradigmatisch für die zwei maßgeblich unterschiedlichen Positionen in der rund dreiviertelstündige Diskussion waren die zahlreichen Wortabtausche zwischen Rolf H. Krauss und Floris M. Neusüss. Das Photogramm lediglich als eine Unterkategorie kameraloser Photographie zu bezeichnen, wie von Rolf H. Krauss artikuliert, ließ sich schwer mit der Auffassung von Floris M. Neusüss, der das Photogramm als mehr als eine Oberbegriff auffaßte, dem man unter Umständen das Cliché Verre, das Chemigramm oder das Luminogramm unterordnen könne, vereinen.