Das Photogramm|Licht, Spur und Schatten 08./09. April 2006
Diskussion III
mit Philipp Slusallek & Kelley Wilder
Moderation: Noam Elcott
Philipp Slusallek: "Ein Photogramm erhält man mittels Ray-Tracing, wenn man berechnet, wieviel Licht an jedem Punk einer Fläche ankommt."
Zum Eingang der von Noam M. Elcott moderierten Diskussion stellte sich die Frage, ob man bei den Bildern von Becquerel überhaupt noch von Positiven oder Negativen sprechen könne. Kelley Wilder verneinte dies, da die Funktionsweise der Strahlung nicht mehr dem Licht entspreche und die Bilder ganz anders als „normale“ Bilder seien. Tim Otto Roth erinnerte in dem Kontext an eine Passage im Pencil of Nature, in der Talbot hinsichtlich der unterschiedlichen Rezeption von positiv und negativ bei den photogrammartigen Kontaktkopien und kameraphotographischen Aufnahmen ähnlich argumentiert.
Besonder kontrovers wurde Kelley Wilders Synthese von Photographie und Diagramm diskutiert. Ein Diagramm sei für sie eine ideale Illustration, im Gegensatz zur Photographie, die das Partikuläre zeige. Die diesbezüglich auseinandergehenden Meinungen versuchte Manfred Schmalriede damit zu erklären, daß in der Diskussion dem Bild das Diagramm als Eigenschaft unterstellt wird. Der Begriff Diagramm hänge jedoch vielmehr von der Verwendung ab. Bezugnehmend auf Charles Sander Peirce unterschied er das Diagramm vom Ikon. Das Diagramm ermöglicht Relationen zu visualisieren und Beziehungen sichtbar zu machen. Peirce habe in der Speculative Grammar von 1902 diese Definition anhand des Vergleichs von Helligkeitswerten im Kontext der Photographie gegeben. Peirce wollte dabei deutlich machen, daß Photographie auch unabhängig von Wirklichkeit betrachtet und je nach Kontext auf etwas bezogen werden kann.
Noam Elcott dachte schließlich über eine Wahlverwandtschaft zwischen Photogramm und Diagramm nach. So habe Joseph Albers am Bauhaus Photogramme als Diagramme des Photopapiers betrachtet.
Auf die Verwendung einer virtuellen Kamera im Ray-Tracing angesprochen, betonte Philipp Slusallek, daß die Zentralperspektive bloß ein Artefakt sei, da man im Hinblick auf die Benutzer ein gewohntes Bild simulieren will. Prinzipiell könne man die unterschiedlichsten Bilder mittels Ray-Tracing generieren. Ein Photogramm erhält man, wenn man berechnet, wieviel Licht an jedem Punk einer Fläche ankommt.
Noam Elcott versuchte als Moderator beide Vorträge zu verbinden: Die Frage, ob das Becquerelsche Experiment auch mit Ray-Tracing simulierbar sei, bejahte Philipp Slusallek, obgleich es schwieriger sei, da Alpha und Beta-Strahlen durch Magnetfelder zu krummen Bahnen abgelenkt werden. Ferner können unter Berücksichtung der Einsteinschen Formeln mittels Ray-Tracing auch relativistische Bilder gerechnet werden, um z.B. die Lichtablenkung um einen Neutronenstern darzustellen.
Auf die Frage, inwiefern denn der Fehler und das Ungewollte beim Photopapier und der Simulation mit ins Spiel kämen, erwiderte Philipp Slusallek, daß er nicht an die Neutralität der Apparatur glaube, weil man Eigenschaften der Apparatur mit in die Interpretation der Ergebnisse einbeziehen muß. Er würde deshalb nicht von Fehler sprechen wollen, sondern davon, daß stets eine Beschränkung berücksichtigt werden muß, nicht beliebig viele Dinge ausrechnen und darstellen zu können.