Das Photogramm|Licht, Spur und Schatten 08./09. April 2006
Monika Dommann
(Universität Zürich)
Strahlen, Körper, Photoplatte - Das Dispositiv der Radiographie
Stellten sich die Methodiken einer verfahrenstechnischen Definition des Photogramms und einer eher historisch beschreibenden Vorgehensweisen in den Diskussionen meist als Gegensätze dar, so verbanden sich diese in gewisser Weise in Monika Dommanns Vortrag. Auch wenn die Technikhistorikerin ihren einleitendenden Satz „Am Anfang war ein Induktor, eine Röhre, ein Körper und eine Photoplatte“ mehr historisch-beschreibend begriff, so schickte sie damit implizit eine verfahrenstechnische Grundkonstellation voraus, die ihren Ausführungen eine außerordentliche Klarheit und Vergleichbarkeit verlieh. Wenn sie ferner von einem radiographischen Dispositif sprach, so trennte sie hierbei nicht zwischen Verfahren und Mensch, sondern sah den Mensch in einem soziotechnischen Netz als Bestandteil der Apparatur, der stets das Wissen um die Aufnahmetechnik mit in die Bildproduktion mit einfließen läßt.
Die Entdeckung der Röntgenbilder stellte sie als einen klaren Bruch mit der bisherigen Deutungstradition von wissenschaftlichen Zeichnungen, Fotografien oder auch Bildern in der Kunst heraus. Eine begriffliche Annäherung geschah damals mit unterschiedlichen Sprachschöpfungen, die sich an der Fotografie, der Elektrizität, dem Phänomen Licht, der Darstellung der unterschiedlichen Dichten, sowie an der Transparenz der Körper im Röntgenbild orientierten. Verspielt, präzise und auch poetisch seien die Beschreibungen der frühen Röntgenbilder gewesen, die durchaus als hochgradig mehrdeutig oder gar metaphorisch gelesen wurden. So konnte ein Schädel sowohl als ikonisches als auch symbolisches Element wahrgenommen werden.
Ordentlich Bildkritik, so Dommann, sei schließlich notwendig, um Röntgenaufnahmen diagnostisch zu verwenden. Die Röntgenpioniere stellten dabei zahlreiche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu anderen Verfahren fest: Zuvorderst handelt es sich um eine Zentralprojektion, bei der Objekte mit zunehmender Distanz zur Platte nicht nur vergrößert, sondern auch weniger scharf darstellten. Schattierungen in klassischen Sinne, wie man es von einem Seitenlicht kennt, gibt es nicht mehr. Die Hell- und Dunkeltöne resultierten in Abhängigkeit der Durchlässigkeit der Körper.
Eine wissenschaftliche Deutung der Bilder machte sich schließlich in der Verwendung von „richtigen“, sprich standardisierten Aufnahmetechniken bemerkbar, die versuchten mögliche "Fehlerquellen" zu minimieren. Ende des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts wurden von Wissenschaftler Röntgenbilder immer noch als different zur gewohnten räumlichen Wahrnehmung betrachtet, die Standardisierung und die damit einhergehende Vergleichbarkeit machte diese aber durchaus in die Sehkonventionen integrierbar.
Für das Photogramm schlußfolgerte Monika Dommann, daß Sie es als Kontaktverfahren einem breiten Photogrammbegriff zuordnen würde. Sie differenzierte aber deutlich zwischen der Verwendung des sichtbaren Licht und der Röntgenstrahlung, beides unterschiedliche Spektren der elektromagnetischen Strahlung: Wenn das Photogramm als Einwirken von „Licht“ verstanden wird, so fiele für sie die Radiographie nicht unter diese engere Definition.
Hören Sie Monika Dommans Beitrag nach in der ZKM-Mediendatenbank: