Das Photogramm|Licht, Spur und Schatten 08./09. April 2006
Andreas Fischer (Institut für Grenzgebiete
der Psychologie & Psychohygiene Freiburg
)
»No camera use ...« Eine photogrammatische Praktik im Paranormalen
Sehr atmosphärisch leitete Andreas Fischer mit einer assoziativen Reihung von Zitaten aus der rund 150 jährigen Geschichte paranormaler Photographie seinen Vortrag ein, in dessen Zentrum die Geisterphotographie und die sogenannte Fluidalphotographie standen, für die beide kameralose und optiklose Techniken relevant waren. Stand noch F.M. Parks für einen symbolischen und allegorischen Umgang mit der Kameratechnik, so war Andrew Clandin der erste, der Geisterphotographien ohne Kamera anfertigte, indem ein Medium die Hände über eine sensible Photoplatte hob. Die resultierenden Bilder blieben aber noch der kameraphotographischen Darstellung verhaftet und zeigten oft Portraits.
Den zweiten Teil seiner Ausführungen widmete Fischer der Fluidalphotographie, bei der es sich ausschließlich um Aufnahmen ohne Verwendung einer Kamera handelte. Die ersten Versuche, mit Hilfe der Photographie ein die belebte und unbelebte Natur durchströmendes feinstoffliches Fluidum nachzuweisen, gehen auf Karl Ludwig Freiherr von Reichenbach (1788-1869) zurück, der in Berlin 1861/62 sogenannte odausstrahlende Körper, wie die menschliche Hand oder einen Quarzkristall, unmittelbar auf eine nasse Kollodiumplatte belichtete. Der französische Offizier Louis Darget (1847-1923) begann in den 1890-er Jahren durch eine Vielfalt von Experimenten das Möglichkeitsspektrum zu erweitern: Neben menschlichen, wurden auch tierische Körper, wie z.B. die seines Hund oder Katze, aber auch Lebendstrahlung von Pflanzen mit dieser Methode festgehalten. Die Platten wurden sowohl trocken exponiert, als auch naß in der Entwicklungsflüssigkeit. Der Kontakt schien dabei eine besondere Rolle in seinen Gedankenphotographien zu spielen: Bemerkenswert ist, daß sich in diesen „photographies des pensées“ die Gedanken stets via Körperkontakt bildlich übertrugen, die Versuche, rein mit dem Blick auf die Photoplatte ein Bild zu übermitteln, hingegenscheiterten. Jakob von Narkiewitsch-Jodko (1848-1904) schuf schließlich um 1900 mit seinen Elektrographien eine verfahrenstechnische Variante zu medizinisch-diagnostischen Zwecken, indem er die Fluide versuchte mittels Elektrizität auf der Platte zu bannen.
Mußte sich die Geisterphotographie oft eine betrügerische Manipulation vorwerfen lassen, so gab es hingegen bei der Fluidalphotographie lediglich einen Streit um die Interpretation der bildlichen Resultate entweder als Deutung der Wirkung paranormaler Erscheinungen oder als Mißdeutung sogenannter photographier Unfälle und Fehler. Die Entdeckung der Röntgenstrahlen wurde in okkulten Kreisen als Bestätigung angesehen und führte erst zu einem verstärkten Interessen an der okkulten Strahlenphotographie.
Heute schließlich dienen nach Fischer ungeklärte Artefakte der Digitalphotographie als Projektionsfläche für ähnliche Kontroversen, wenn auch die kameralosen Verfahren dort keine wesentliche Rolle mehr spielen.