Das Photogramm|Licht, Spur und Schatten 08./09. April 2006

Peter Geimer
(ETH Zürich)

Bilder & Bildungen: Den kameraphotographischen Bildern gingen lange Zeit "photographische Bildungen" voraus.

Bilder als Spuren. Mutmassungen über ein untotes Paradigma

Daß vor dem Zusammentreffen von Camera Obscura und lichtempfindlicher Substanzen in den 30-er Jahren des 19. Jahrhunderts eine Art "abstrakte Photographie" gab, dafür machte sich einleitend Peter Geimer in seinem Vortrag stark. Dem photographischen Bild gingen also lange Zeit schon "photographische Bildungen" voraus – eine ziemlich gelungene Wendung, die das teleologische Moment des in diesem Kontext gerne verwandten Begriffs Protophotographie umgeht.

Im Hauptteil widmete Peter Geimer sich der Verwendung des Begriffs Spur in der Phototheorie und problematisierte dessen metaphorische Verwendungsweise u.a. bei Peirce, Kraus, Arnheim, Sontag und Barthes. Deren Theorien haben gemein, daß die Berührung des Lichts mit der photographischen Schicht als eigentlich Vorgang der Spurenerzeugung umschrieben wird. Verweisend auf Christoph Hoffmann führte Peter Geimer an, daß diese Überlegungen zur Spur u.a. bei Rosalind Kraus häufig am Beispiel des Photogramms entwickelt wurden. Kritisch betrachtete er Unschärfen in der Beschreibung der Übertragungstechniken.Die überraschend einfachen Schilderungen des Prozeß der photographischen Übertragung ließen ihn schließlich zum Schluß kommen, daß der Vorgang der Photographie gewissermaßen so dem Denken entzogen wird.

Sehr anschaulich verdeutlichte er anhand einer Aufnahme von Antonio Beato aus dem Jahre 1870 wie Photographie und Photogramm in einem einzigen Bilder als zwei unterschiedliche Techniken der Repräsentation aufeinandertreffen können. Am unteren Rand der Photographie einer Zitadelle südlich von Kairo zu, war der Schatten einer Fliege zu sehen, die bei der Exposition wohl auf der nassen Kollodiumplatte in der Kamera festgeklebt haben mußte. Als Photogramm, das aus einer unmittelbaren Berührung von Objekt und Bildträger hervorgeht, gehört für Peter Geimer gehörte diese Darstellung einer Fliege einem gänzlich andern Modus der Repräsentation an. Bezugnehmend auf Sibylle Krämer sprach er hier von einer Spur als einem unmotivierten Insbildsetzen der Fliege.

Auf der phänomenalen Ebene macht Peter Geimer eine eigenartige Spannung zum Realitätsgehalts des übrigen Bildes aus: Im Original wirke der dichte schwarze Körper mit den filigranen transparenten Flügeln weniger im Bild als viel mehr auf oder vor dem Bild.
Trotz der oft problematischen Verwendungsweise des Spurbegriffs, plädierte Peter Geimer für abschließend für diesen: „Vor dem Hintegrund kunst- und kulturhistorischer Deutungstradition, die ihre Methode vor allem an intendierten und komponierten Bildern geschult haben, stellt sich deshalb immer noch die Frage, welchen Platz eine Bildwissenschaft der Kontingenz, dem Vorfall, der unkomponierbaren Spur einräumen will.“