Das Photogramm|Licht, Spur und Schatten 08./09. April 2006
Prof. Philipp Slusallek
(Universität des Saarlandes)
Formalisierung von Licht und Schatten: Der Informatiker Philipp Slusallek erklärte anhand der Strahlenwege des Lichts die Unterschiede von Photogramm und Photographie.
Virtuelle Photogramme - Lichtsimulation in der Computergraphik
Bereits der Kunsttheoretiker Michael Baxandall widmete in seinem Buch „Löcher im Licht“ den Strategien in der Informatik, Licht und Schatten zu formalisieren, ein ganzes Kapitel. Mit dem sogenannte Ray-Tracing stellte Philipp Slusallek ein aktuelles Verfahren vor, das es erlaubt, die Physik des Lichts zu simulieren - mit dem von seinem Forschungsteam an der Universität des Saarlandes weiterentwickelten OpenRT sogar in Echtzeit. Ray-Tracing ist mittlerweile eine verbreitete Methode um mit sehr hoher Qualität Bilder von dreidimensionalen, im Computer gespeicherten Szenen zu erzeugen. Im Unterschied zum sogenannten Rasterisierungsverfahren verwendet es einen Kniff: Nur die Strahlen werden berechnet, die tatsächlich auch im Auge des Betrachters einer Szene ankommen. Hierfür werden von einer virtuellen Kamera in umgekehrte Richtung Strahlen in die Gegenrichtung zur Lichtstrahlung in die Szene hineingeschossen, bis sie eine Oberfläche treffen. An diesem Punkt wird dann versucht herauszufinden, wieviel Licht zur Beleuchtung dieser Oberfläche zur Verfügung steht, indem von diesem Punkt Strahlen zur Lichtquelle und potentiell reflektierenden oder absorbierenden Gegenständern der Szene ausgesandt werden. Als virtuelle Strahlen kommen dabei nicht nur sichtbares Licht, sondern auch Wärme-, Radar- oder Röntgenstrahlung in Frage. So können z.B. Interferenzerscheinungen von Handywellen um Gebäude mit erweiterten Ray-Tracingverfahren visualisiert werden.
Die Methode der Strahlenverfolgung gewährte auch eine interessante „holistische“ Perspektive auf das Photogramm. In einem Diagramm stellte Philipp Slusallek die unterschiedlichen Strahlenwege im Photogramm und in einer Loch- und Linsenkamera gegenüber. Beim Photogramm verdeutlichte die Graphik, daß die lichtempfindliche Oberfläche aus allen Richtungen kommende Lichtstrahlen registriert. Es wurde somit offensichtlich, daß nur die nahen Objekte klar wieder gegeben werden können, da mit zunehmender Entfernung der Objekte die globale Lichtsituation immer dominanter wird. Für Philipp Slusallek war deshalb auch klar, warum auf den Celestographien Strindbergs nichts zu sehen ist: Schließlich kommt auf dem Photopapier nicht nur der Lichtstrahl eines bestimmten Sterns an, sondern jeweils das Licht des gesamten Firmaments. Demgegenüber vermögen Kameras mit einer Lochblende oder einer Linse, die Strahlen, die aus einer bestimmten Richtung kommen, zu selektieren, bzw. sogar noch zu verstärken.
Abschließend stellt er noch das Virtual Photogram Project vor, das sich bei Vorgesprächen mit Tim Otto Roth entwickelt hatte. Da sich mittels Raytracing die Strahlen in jeder beliebigen optischen Situation simulieren lassen, ist es ohne weiteres möglich auch ein virtuelles Photogramm herzustellen. Im Virtual Photogram Project soll der Betrachter das bewegte Leben auf einer Straßenkreuzung einmal von der anderen Seite als ein großdimensioniertes Schattenspiel erleben.
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